Text 8. Поэтическое произведение для перевода с немецкого языка на русский.

Bettina von Arnim

Seelied

  Es schien der Mond gar helle, Die Sterne blinkten klar, Es schliefen tief die Wellen, Das Meer ganz stille war. Ein Schifflein lag vor Anker, Ein Schiffer trat herfür: Ach wenn doch all mein Leiden Hier tief versunken wär. Mein Schifflein liegt vor Anker, Hat keine Ladung drin, Ich lad ihm auf mein Leiden Und laß es fahren hin. Und als er sich entrissen Die Schmerzen mit Gewalt, Da war sein Herz zerrissen, Sein Leben war erkalt'. Die Leiden all schon schwimmen Auf hohem Meere frei, Da heben sie an zu singen Eine finstre Melodei. Wir haben festgesessen In eines Mannes Brust, Wo tapfer wir gestritten Mit seines Lebens Lust. Nun müssen wir hier irren Im Schifflein hin und her: Ein Sturm wird uns verschlingen, Ein Ungeheuer im Meer. Da mußten die Wellen erwachen Bei diesem trüben Sang; Verschlangen still den Nachen Mit allem Leiden bang.

 

Text 9. Текст СМИ для перевода с немецкого языка на русский

Der Spiegel № 13/2022

Ruf der Wildnis

Als Marc Freukes genug von der Zivilisation hatte, genug von Berufsverkehr, Einkaufszentren und Golf-Handicaps, zog er in ein Tipi im Odenwald. Er grub einen Erdkühlschrank und baute sich einen Ofen aus Lehm, pflanzte Kürbisse, Mais und Bohnen nach der Methode des Drei-Schwestern-Ackerbaus, so wie es einst die Maya getan haben.

Freukes sagt, er habe frei sein wollen wie der Held in dem Film »Into the Wild«. In dem Film geht es um das Leben des Studenten Christopher McCandless, der seine Kreditkarten zerschneidet und ein Leben als Aussteiger führt. Am Ende isst er aus Versehen eine giftige Schote und stirbt einsam in der Wildnis Alaskas.

Freukes, 47, ist Eremit. Seit acht Jahren lebt er als Aussteiger. Er ist trainiert, am Gürtel trägt er ein Jagdmesser. Auf einer Lichtung im Wald steht ein Bauwagen aus rot gestrichenem Holz, den er selbst gezimmert hat. Es riecht nach Harz, in der Ferne klopft ein Specht. Freukes blickt sich um, er wirkt nervös. Man dürfe nicht schreiben, wo genau sich die Lichtung befinde, sagt er. Niemand dürfe wissen, dass er hier lebe. »Das hier ist Krieg«, sagt Freukes.

Marc Freukes hat Ärger mit den Behörden, er wurde schon einmal aus einem Wald vertrieben, im August 2020. Seitdem hält er sich versteckt. Die Einsiedelei ist in Deutschland nur eingeschränkt möglich. Niemand darf sich außerhalb von Ortschaften einfach irgendwo eine feste Behausung bauen und darin leben, selbst dann nicht, wenn ihm das Land gehört oder er es zuvor gepachtet hat. So steht es in Paragraf 35 des Baugesetzbuches, »Bauen im Außenbereich«. Wenn Freukes in seinem Bauwagen dort dauerhaft leben will, muss er einen Bauantrag beim Amt stellen. Er müsste einen Bauvorlagenberechtigten finden, der seinen Antrag einreicht. Dann müsste der Antrag genehmigt werden. Freukes sagt, er wolle einfach nur seine Ruhe.

Eigentlich ist Marc Freukes Golflehrer von Beruf, er trainierte einst eine Bundesligamannschaft aus Hessen. Er stammt aus Mülheim an der Ruhr, wenn er Jurte sagt, klingt es wie Juchte. Er sei in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen, sagt er. Er habe viele Jahre lang ein Leben zwischen Golfplatz und Bootshaus geführt, zwischen Ibiza und Zermatt. Doch als Freukes 38 Jahre alt war, bekam er eine Depression. Er sei auf der Arbeit gemobbt worden, seine damalige Freundin habe sich von ihm getrennt. Er kündigte seinen Job und beantragte Arbeitslosengeld. Nachts habe er nicht mehr schlafen können. Also streifte er allein durch den Wald. Manchmal machte er ein Feuer und schaute in den Sternenhimmel, bis die Sonne aufging, hörte die Tiere im Unterholz und lauschte dem Wind in den Bäumen. Das habe ihn beruhigt, sagt Freukes. Irgendwann habe er gemerkt, dass er mehr Zeit in der Wildnis verbrachte als in seiner Wohnung. Es war, als würde der Wald nach ihm rufen.

2013 kündigte er seine Wohnung und zog in das Tipi. Die ersten Jahre seien hart gewesen, sagt Freukes. Das Zelt ständig nass, im Sommer wie im Winter. Der Mais, den er nach Art der Maya pflanzte, reichte ihm nicht mal bis an die Knie. Er schnitt Rauchklappen ins Zelt und machte Feuer im Tipi, so wie es die Ureinwohner Amerikas getan hatten. Aber anders als bei den Sioux zog bei ihm der Rauch nicht ab, so erzählt er es. Wenn er frustriert die Gaststätte im nächsten Dorf betrat, hörte er, wie die Leute ihn »Räucherwurst« nannten.

Mit den Jahren lernte er zu überleben. Er tauschte das Tipi gegen eine Jurte, das traditionelle Zelt der mongolischen Nomaden, mit rundem Holzfundament und Pfosten, über die Segeltuch gespannt wird. Er schnitzte Schalen und Teller aus Holz, fischte Forellen im Fluss und buk sie in seinem Lehmofen. Er lernte, dass man nicht neben dem Ofen schläft, sondern darüber, weil warme Luft nach oben steigt. …